Donnerstag, 17. Dezember 2020

Altschneeproblem im Nordwesten des Landes - Gleitschneeproblem in den schneereichen Regionen

In Nordtirol gebietsweise heimtückisches Altschneeproblem v.a. im Nordsektor oberhalb etwa 2200m


Lawinenereignisse der vergangenen Tage, bei denen Personen beteiligt waren, aber auch unserer Schneedeckenuntersuchungen bestätigen ein zum Teil recht heimtückisches Altschneeproblem. Am prominentesten ist dieses derzeit in den nordwestlichen Regionen Nordtirols, dort wo es seit Anfang Dezember tendenziell weniger geschneit hat. Die Gefahr wird in diesen Gebieten oberhalb etwa 2200m als erheblich eingestuft. Gefahrenbereiche findet man oberhalb etwa 2200m v.a. im Nordsektor, oberhalb etwa 3000m vermehrt dann auch in den übrigen Hangrichtungen. Dabei handelt es sich um Bereiche, wo vor den Dezember-Schneefällen bereits Schnee gelegen ist und wo sich flächig lockere Schwachschichten ausbilden konnten.

 

Gefahrenstufenkarte für Freitag, 18.12.2020. Erhebliche Gefahr aufgrund eines Altschneeproblems.

 

Lawinenereignisse der vergangenen Tage (mit einem Altschneeproblem)
 

Am 12.12.2020 beobachtete man im Nahbereich des Rietzter Grießkogels im Sellraintal in einem sehr steilen Nordwesthang ein Schneebrett auf ca. 2500m. Es gingen Spuren in die Lawine rein sowie aus der Lawine raus.

 

Schneebrettlawine Rietzer Grießkogel. (Foto: 12.12.2020)


Unterhalb der Kübelwände im Muttekopfgebiet (Nahbereich Imst) löste sich am 14.12.2020 eine Schneebrettlawine, als sich eine Person in der Abfahrt befand. Die Person konnte aus der Lawine ausfahren. Das Gelände war zumindest sehr steil und lag im Sektor ONO. Der Anriss befand sich auf etwa 2600m.


Schneebrett Kübelwände. Die Lawine wurde orographisch rechts im Nahbereich der Felswände während der Abfahrt ausgelöst. Dort lag noch Schnee vom Frühwinter, der teilweise markant aufbauend umgewandelt war. (Foto: 16.12.2020)


Beim Profil im unmittelbaren Nahbereich des Anrisses der Lawine bei den Kübelwänden erkennt man sehr gut das hellere Neuschneepaket (ab Anfang Dezember) und das dünklere Altschneepaket. Unmittelbar unterhalb des Neuschneepakets findet man eine lockere, aufbauend umgewandelte Schicht - die relevante Schwachschicht für das Schneebrett. (Foto: 16.12.2020)
 

Am 14.12. verstarb ein Skitourengeher auf Vorarlberger Seite im Grenzgebiet zu Tirol, als dieser oberhalb von Stuben vom Albonagrat abfuhr. Höhenbereich um 2300m, Nordsektor, zumindest sehr steil.

Am 15.12. lösten zwei Skitourengeher bei der Abfahrt vom Pirchkogel unterhalb des Hinteren Grieskogels eine Schneebrettlawine aus. Eine Person wurde mitgerissen, blieb aber unverletzt. Nordost, 2700m, sehr steiles bis extrem steiles Gelände.

 

Lawinenabgang Hinterer Grieskogel. Mittig beim Anriss erkennt man die Einfahrtsspuren der zwei Skitourengeher. (Foto: 17.12.2020)
 

Das zur Schneebrettlawine am Hinteren Grieskogel gehörige Profil: Profilstandort oberhalb des Anrisse kammnah. Die sehr weiche Schicht, bestehend aus lockerem Schwimmschnee und kantigen Kristallen bildete die Schwachschicht für das Schneebrett. Wir konnten dort recht leicht einen Bruch initiieren, der sich sehr gut fortpflanzte.


Am 17.12. wurden wir von der Leitstelle über einen Lawinenabgang im Mattun (Arlberggebiet) informiert. Nähere Details dazu sind uns nicht bekannt. Fix ist, dass niemand zu Schaden kam.


Weiterhin Gleitschneeproblem in den schneereichen Gebieten


Zwar nimmt die Gleitschneeaktivität inzwischen langsam ab, dennoch muss unverändert auf steilem, glatten Untergrund mit dem Abgleiten von Schnee gerechnet werden. Wir raten deshalb unverändert, sich möglichst nicht unterhalb von Rissen in der Schneedecke aufzuhalten. Der Abgangszeitpunkt von Gleitschneelawinen ist - wie schon oftmals  erwähnt - nicht vorhersehbar!


Ein gefährliches Unterfangen: Aufenthalt unterhalb von Gleitschneerissen. Osttirol. (Foto: 10.12.2020)


Immer wieder wurden Straßen durch Gleitschneelawinen verlegt. Dies sowohl in Nord-, als auch in Osttirol in den neuschneereichen Regionen. Zum Glück sind sämtliche Abgänge glimpflich ausgegangen. Schäden durch Gleitschneelawinen haben sich bisher eher in Grenzen gehalten. Bekannt ist u.a. ein Schaden bei der Materialseilbahn der Bonn-Matreier-Hütte.


Der Kreis weist auf die Materialseilbahn hin. Darüber erkennt man den Anrissbereich der Gleitschneelawine. (Foto: 11.12.2020)


Mancherorts hohe Gleitschneeaktivität in Osttirol (Foto: 11.12.2020)


Abgleitender Schnee auf Schupfendach


Dachlawine bei der Muttekopfhütte. Im Hintergrund erkennt man einen Gleitschneeriss, ein Gleitschneemaul und einen Gleitschneerutsch (Foto: 16.12.2020)


Beeindruckende Schneeauflage in Sillian (Foto: 10.12.2020)


Ebenso berichtenswert:


Das Wetter

Die vergangene Woche war wechselhaft mit Süd- und Nordwestströmungen. Markant war insbesondere der Temperaturanstieg ab Montag, 14.12.2020.


Zunehmende Setzung der Schneedecke. Insbesondere am Hauptkamm in größeren Höhen immer wieder recht kräftiger Wind aus unterschiedlichen Richtungen. Gut zu erkennen u.a. auch der Temperaturanstieg ab 14.12.2020.


Lockerschneelawinen


Vermehrter Abgang von Lockerschneelawinen am 15.12. aufgrund des Temperaturanstieges. Mieminger Kette (Foto: 17.12.2020)


Im Hintergrund: Lockerschneelawine aus besonntem, extrem steilen Gelände. Schlick (Foto: 16.12.2020)


Die Gesamtschneehöhe


Verteilung der Schneehöhe in Tirol: Deutliches Gefälle von Süd nach Norden. Am wenigsten Schnee liegt im nordwestlichsten und nordöstlichsten Teil des Landes


In den schneereichen Regionen deutliche Setzung und Stabilisierung der Schneedecke, mancherorts noch super Pulverschnee

 

Abgesehen von den bereits angesprochenen Gleitschneelawinen muss unbedingt auch Positives hervorgehoben werden: Die Schneedecke hat sich sehr gut gesetzt und stabilisiert. Wintersportler nützen diese Situation und halten sich vermehrt auch in extrem steilem Gelände auf.


Extrem steile Abfahrt in Osttirol (Foto:

Nach Ende der ergiebigen Schneefälle am 09.12.2020 gabs anfangs sehr tiefen Pulverschnee, dann perfekten Pulver für Tiefschneeerlebnisse. Inzwischen hat der Wärmeimpuls den Pulver zumindest in tiefen und mittleren Höhenlagen sowie allgemein in besonnten Hängen zerstört. Dort gibts inzwischen eher Bruchharsch oder eine am Tag angefeuchtete Schneeoberfläche. Schattseitig findet man Pulver hingegen unverändert in höheren Lagen.

 

Ein Pulvertraum bei der Abfahrt vom Eselrücken im Virgental (Foto: 12.12.2020)