Sonntag, 6. Dezember 2020

Sehr große Lawinengefahr in Osttirol

In Osttirol hat sich inzwischen aufgrund der außergewöhnlichen Neuschneemengen samt Windeinfluss und Regen eine gefährliche Lawinensituation ausgebildet. Inzwischen wurde von uns dort die höchste Gefahrenstufe, also sehr große Lawinengefahr ausgegeben.


Update vom 06.12.2020 08:00 Uhr: In der EUREGIO herrscht regionsweise sehr große Lawinengefahr


Auf den Bergen hat es dort verbreitet zwischen 150cm und 200cm geschneit - ganz im Süden waren es bis zu 250cm! Heute am 06.12. kommt neuerlich eine gewitterartige Niederschlagsstaffel aus Süden daher. Die ZAMG-Wetterdienststelle rechnet in Osttirol mit weiteren 100-120cm Neuschnee, welcher bei sehr hoher Intensität fallen wird. (Laut ZAMG-Wetterdienststelle werden die Niederschlagssummen dieses Ereignisses u.a. in Lienz einen Rekordwert darstellen. In der seit 1880 bestehenden Messreihe wird der im November 1966 gemessene, bisherige Maximalwert von 245mm auf alle Fälle überschritten werden!)


Auf der Karte erkennt man die Niederschlagsverteilung in Tirol. Je weiter südlich, desto intensiver waren die Niederschläge. Rechts: Spitzenreiter bei den Niederschlagssummen war das südliche Osttirol. (Porzehütte)


Schadlawinen

Im Virgental löste sich gestern abends, 05.12. nördlich von Hinterbichl eine Lawine, die ein Wirtschaftsgebäude sowie ein Haus erreichte und Sachschäden nach sich zog. Heute am 06.12. erreichte uns eine Meldung über eine Schadlawine im Defereggental, wo ebenso Häuser betroffen waren. Personen kamen nicht zu Schaden. Nähere Infos dazu hier: 

Vermutlich gibt es weitere Schäden aufgrund von Lawinenabgängen. Die schlechten Sichtverhältnisse und die umfangreichen Sperren lassen derzeit allerdings kein umfassendes Bild zu. 

Extrem große Lawinen v.a. aus sehr hoch gelegenen Einzugsgebieten

Am meisten Sorge bereiten uns derzeit sehr hohe Einzugsgebiete, wo vor den Schneefällen bereits eine mehr oder weniger zusammenhängende Schneedecke vorhanden war. Dort können nämlich durch die weitere Zusatzbelastung des prognostizierten Neuschnees Brüche im Altschnee entstehen und dadurch die gesamte Schneedecke als Schneebrettlawine abgehen. Besonders betroffen davon ist schattiges Steilgelände oberhalb etwa 2400m sowie sonniges Steilgelände oberhalb etwa 3000m. 

Aber auch in tieferen Gebieten (typischerweise jedoch oberhalb der Waldgrenze) können weiterhin Schneebrettlawinen von selbst abgehen. Dies hat v.a. mit den vorhergesagten gewitterartigen Niederschlägen zu tun, während derer sich z.B. Graupelschichten einlagern und eine mögliche Schwachschicht bilden können. Ebenso bewirkt der gerade eingetretene leichte Temperaturrückgang, dass der gefallene Schnee wieder lockerer wird. Somit kommt auch dieser (speziell bei sich ändernden Windverhältnissen) als mögliche Schwachschicht für Schneebrettlawinen in Betracht.

Kurz: Bei einem komplexen Zusammenspiel aus verschiedensten, nicht 100% abschätzbaren Einflussparametern gibt es Potential für weitere, auch schadenbringende Schneebrettlawinen. Deren Auslösebereitschaft wird ab den Abendstunden mit Abklingen der Niederschläge, langsam sinkenden Temperaturen und nachlassendem Wind rasch abnehmen. 

Gleitschneelawinen

Aktuell ein großes Thema auf Grashängen unterhalb etwa 2600m sind zudem Gleitschneelawinen. Einige unserer Beobachter berichteten bereits über entsprechende Abgänge sowie Risse in der Schneedecke und Gleitschneemäuler, welche mögliche Lawinenabgänge ankündigen.

Situation in den Regionen entlang des Alpenhauptkammes

Auch in den Zentralalpen ist die Situation derzeit angespannt. Dort kommen laut ZAMG-Wetterdienststelle heute am 06.12. nochmals 40-70cm Schnee zusammen. Die Gefahr wurde dort als groß eingestuft. Weitere Infos dazu im heutigen Lawinenreport. 

Wie geht es weiter?

Während der kommenden Tage werden Gleitschneelawinen abgehen, vermehrt in den neuschneereichen und regenbeeinflussten Gebieten. Erfahrungsgemäß nimmt deren Anzahl dann von Tag zu Tag stetig ab. Deren Abgangszeitpunkt bleibt allerdings unberechenbar.

Abgesehen vom Gleitschneeproblem wird die Lawinengefahr allgemein rasch zurückgehen. Man wird sich dann v.a. auf oberflächennahe Lawinenprobleme konzentrieren müssen, die verhältnismäßig leicht einzuschätzen sein werden. Im niederschlagsärmeren Norden des Landes bleibt hingegen vorerst ein Altschneeproblem im Nordsektor oberhalb der Waldgrenze aufrecht.