In diesem Blog post wollen wir etwas Licht ins Dunkel bringen und aufklären, warum sich die Warnregionen ständig verändern und warum es sich dabei um einen besonders wichtigen Mehrwert des neuen Euregio-Lawinenreports handelt.
Hintergrund
Ziele bei der Entwicklung des Euregio-Lawinenreports waren nicht nur der grenzüberschreitende Charakter und dessen Mehrsprachigkeit. Es sollte vielmehr auch eine Verbesserung im Vergleich zu den bisherigen Warnprodukten der drei Länder erzielt werden. Die neue Lawinenvorhersage sollte es ermöglichen, die Lawinengefahr in einem bestimmten Gebiet möglichst genau und konsistent beschreiben zu können.
In der Vergangenheit wurden in Tirol, Südtirol und Trentino für die einzelnen Warngebiete zwar verschiedene Lawinengefahrenstufen ausgegeben, die Gefahrenbeschreibung und der Schneedeckenaufbau waren allerdings für das ganze Land bzw. die ganze Provinz ident. Im Lawinenreport sollte sich dies ändern: Unterschiedliche Gefahrensituationen in verschiedenen Gebieten sollten getrennt voneinander beschrieben und dargestellt werden können, um möglichst genau und konsistent auf die jeweilige Situation eingehen zu können. Um räumliche Unterschiede der Lawinensituation so gut wie möglich zu berücksichtigen, müssen jedoch die Grenzen flexibel gezogen und verändert werden können. Andererseits ist es aber dennoch notwendig, eine sinnvolle Grenzziehung beizubehalten, welche sich an topographischen Grenzen, wie Bergketten oder Täler, oder aber auch Ländergrenzen orientiert.
Es sollten also möglichst kleine, klar definierte Warnregionen bestehen, welche eine präzise Kommunikation der Lawinengefahr und deren räumlichen Variabilität erlauben. Dies sollte verhindern, dass beispielsweise innerhalb einer Warnregion Gebiete zu hoch oder gar zu tief bewertet werden. Weiterhin sollte der Textteil der Lawinenvorhersage für die gesamte Warnregion gelten, ohne dass im Text regional differenziert werden muss. Eine Studie von Frank Techel, Lawinenwarner und –forscher am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos, von 2018 zeigte auf, dass kleine Regionen die Qualität der Lawinenprognose verbessern.
Die Größe der Warnregionen im Alpenraum. Je dunkler die Farbe, desto größer die Warnregio. (©Frank Techel, 2018) |
Bis einschließlich der Wintersaison 2017/2018 war das Land Tirol in 12, Südtirol in 11 sowie das Trentino in 21 Warnregionen aufgeteilt. Während das Trentino bereits in relativ viele Kleinstregionen mit geringer Fläche aufgeteilt war, so waren die Warnregionen in Südtirol und Tirol im Durchschnitt fast dreimal so groß.
Anzahl und Größe der Kleinstregionen in Südtirol, Tirol und Trentino vor und nach der Umstellung auf den neuen Lawinenreport mit Beginn der Saison 2018/2019:
Land/ Provinz
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Anzahl
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Größe (min-max) [km²]
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Saison 17/18
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Saison 18/19
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Saison 17/18
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Saison 18/19
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Südtirol
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11
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20
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650 (180- 1110)
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345 (105 - 1500)
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Tirol
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12
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29
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980 (380- 1920)
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295 (115 - 1105 )
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Trentino
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21
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21
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290 (120- 540)
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290 (120- 540)
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Im Entwicklungsprozess des Euregio-Lawinenreports hat man sich infolgedessen geeinigt, die Warnregionen in Tirol sowie in Südtirol neu zu strukturieren. Es sollten Kleinstregionen entstehen, welche sich insbesondere hinsichtlich des Niederschlages von den Nachbarregionen unterscheiden. Diese Kleinstregionen sollten nach einer Vereinbarung der Europäischen Lawinenwarndienste (EAWS) eine Mindestgröße von 100km² nicht unterschreiten.
Basierend auf den täglichen Niederschlagssummen verschiedener Winter wurden mithilfe eines Computeralgorithmus Zonen ähnlicher Niederschlagsverteilung (sog. Cluster) ermittelt, anhand welcher – sowie unter Berücksichtigung der Erfahrung der Warner – die neuen Regionen eingeteilt wurden. In Südtirol entstanden so 20, in Tirol 29 neue Kleinstregionen, welche sich jedoch auch zu den alten, gewohnten Warngebieten der vorherigen Jahre zusammenfassen lassen.
Ergebnisse der Clusteranalyse der Winter 2011/12 (links) und 2014/15 (rechts) für Tirol und Südtirol mit den neuen 29 resp. 20 Kleinstregionen. |
Lawinenwarnung
Die Lawinenwarner in der Euregio Südtirol-Tirol-Trentino arbeiten also nun ab dieser Wintersaison mit einer Vielzahl von Kleinstregionen (Anzahl = 70), welche je nach Schneeverhältnissen und Lawinengefahrensituation flexibel zu größeren Warnregionen zusammengefasst werden können. Die Warnregionen beschreiben somit stets Gebiete mit ähnlichen Verhältnissen und beinhalten alle Informationen einer vollen Lawinenvorhersage. Je nach Wettergeschehen und Schneedeckenaufbau, werden die Warnregionen im Laufe eines Winters immer wieder neu aggregiert, um die Lawinengefahr bestmöglich zu kommunizieren. Die Erfahrung der letzten Wochen – den ersten operativen Wochen mit dem neuen Lawinenreport – hat uns gezeigt, dass in der gesamten Euregio die 70 Kleinstregionen im Schnitt zu etwa 6-9 Warnregionen zusammengefasst werden.
Fazit
Diese neue Art der Gefahrenbeurteilung erlaubt uns Lawinenwarnern die vorherrschende Schnee- und Lawinensituation, die bestehenden Lawinenprobleme und die dazugehörigen Gefahrenbereiche präziser zu kommunizieren und zu beschreiben. Wir glauben dadurch die Qualität der Lawinenvorhersage verbessern zu können und hoffen, dass dieser positive Mehrwert auch bei Euch Usern so ankommt. Es handelt sich hierbei sicher um eine der größten Umstellungen im Vergleich zu den alten Lawinenlageberichten und -prognosen, doch wir sind uns sicher, dass wir uns mit der Zeit alle an das neue Outfit gewöhnen und vermehrt die Vorteile sehen werden!