Donnerstag, 17. Januar 2019

In Nordtirol zunehmende Entspannung. Altschneeproblem vor allem in Zentral-Osttirol. Frischen Triebschnee beachten.

Aktuelle Situation

Die Lawinengefahr ist während der vergangenen Tage stetig zurückgegangen. In den Hauptniederschlagsgebieten hat sich die Schneedecke gesetzt, Neu- und Triebschnee haben sich untereinander sowie mit dem Altschnee meist gut verbunden.

Die Setzung der Schneedecke seit Ende der Niederschläge am Dienstag, 15.01. ist enorm. Die Grafik zeigt eine modellierte Setzung.

Auch an der Messstation Sonnbergalm in Sölden kann eine deutliche Setzung der Schneedecke beobachtet werden.

Die Hauptgefahr geht in weiten Teilen Nordtirols sowie im nördlichen Osttirol von meist kleinen, aber störanfälligen Triebschneepaketen aus. Diese können an allen Expositionen vor allem kammnah angetroffen werden. Gefahrenstellen nehmen mit der Höhe an Größe und Anzahl zu. Die schon etwas älteren Triebschneeansammlungen, welche sich während des vergangenen Schneesturms (13. bis 15.01.) gebildet haben und zum Teil auf sehr störanfälligem Wildschnee (vom 12.01.) abgelagert wurden, dürften nur mehr in sehr seltenen Fällen als Lawinen ausgelöst werden können. Denkbar wäre dies noch schattseitig in windberuhigten Gebieten, tendenziell eher in großen Höhen.

Durchaus heikler ist die Situation im zentralen Osttirol, nördlich der Drau und südlich des Alpenhauptkammes. Vor den Schneefällen zu Beginn dieser Woche war die Schneedecke dort eher gering mächtig: Die zahlreichen Frontensysteme seit Jahresbeginn brachten hier meist nur unergiebige Schneefälle. Zum Teil regnete es über die Waldgrenze hinaus. Durch aufbauende Umwandlung bildete sich ein schwaches Altschneefundament mit einer Abfolge von Schmelzkrusten und lockeren, kantigen Kristallen aus. Die etwa 30cm Neuschnee (in der Höhe auch mehr) von Beginn dieser Woche wurden auf dieser Altschneedecke abgelagert und bilden nun sozusagen das "Schneebrett" auf den darunter liegenden Schwachschichten. Der schwache Altschnee kann bereits durch geringe Zusatzbelastung gestört werden. Lawinen können dabei durchaus groß werden. Auch Fernauslösungen wurden uns gemeldet und sind weiterhin möglich. Gefahrenstellen befinden sich an allen Expositionen über etwa 1600m. Vorsicht ist diesbezüglich mit etwas Neuschnee und starkem Wind auch in den Lienzer Dolomiten angebracht. Bereits kleine Triebschneepakete können gefährlich sein.

Von Skifahrern ausgelöste Schneebrettlawine am Gaishörndl in Innervillgraten. Die Lawine brach im schwachen Altschnee. (Foto: 15.01.2019)

An der Wetterstation Mosesgipfel in Innervillgraten war die Schneedecke bis Ende vergangener Woche sehr gering mächtig. Dadurch konnten immer wieder große Temperaturgradienten innerhalb der Schneedecke entstehen, welche die Ausbildung von kantigen Schwachschichten förderten.

Ähnlich gelagert, aber weniger akut ist das Altschneeproblem in den Zentralen Stubaier Alpen sowie der Gurglergruppe. Auch dort war die Schneedecke diesen Winter lange Zeit über eher dünn. Tiefer in der Schneedecke befinden sich daher kantig aufgebaute Schwachschichten im Bereich von Schmelzkrusten, welche gestört werden können. Aufgrund der größeren Schneeüberdeckung ist eine Störung hier meist nur mit großer Zusatzbelastung möglich. Schneearme Bereiche sind jedoch besonders ungünstig: Schwachschichten sind dort stärker ausgeprägt und weniger überdeckt. Eine Auslösung ist hier also wahrscheinlicher (hotspot).


Schneeprofil von der Unterrainsalm in Obernberg vom 14.01.2019; West, 1555m, 32°. Schwachschichten im Altschnee sind stellenweise leicht auszulösen. (© Esther Baum)
 
Rückblick

Mit einer starken Nordwestströmung wurden von Samstag, 12.01. bis Dienstag, 15.01. erneut niederschlagsintensive Frontensysteme aus dem Atlantik an die Alpen herangeführt. Begleitet von starkem bis stürmischem Wind schneite es in ganz Tirol teils kräftig. Sogar in den Dolomiten kamen bis zu 20cm Neuschnee hinzu. Die größten Neuschneesummen wurden auf der Seegrube oberhalb von Innsbruck gemessen: Von Sonntag morgens, 13.01. bis Dienstag morgens, 15.01. kamen dort ca.  215cm Schnee dazu.

Am meisten schneite es in den Allgäuer und Lechtaler Alpen, dem Karwendel, im Wilden Kaiser, den Kitzbüheler Alpen sowie in den Hohen Tauern.

Die Niederschläge waren begleitet von stark bis stürmischem Wind aus nordwestlichen Richtungen.

Die bisherigen Schneefälle seit Jahresanfang sind auch historisch gesehen außerordentlich. Am Felbertauern-Südportal wurde seit Beginn der Messaufzeichnungen 1990 keine so mächtige Schneedecke verzeichnet.
 
Am Montag, 14.01. wurden aufgrund der großen Schneemengen, der hohen Niederschlagsintensität und des anhaltend starken Windes zahlreiche große bis sehr große, vereinzelt auch extrem große Lawinen erwartet. Dementsprechend wurde im Westen Nordtirols, in den Zillertaler Alpen, der Venedigergruppe sowie im Karwendel die höchste Lawinengefahrenstufe (5, sehr groß) ausgegeben (siehe Blog).

Zahlreiche Rückmeldungen, aber auch die Ergebnisse von Erkundungsflügen am Dienstag, 15.01. und Mittwoch, 16.01. zeugten von hoher Lawinenaktivität. Viele große und sehr große spontane Schneebrettlawinen sind abgegangen - dies besonders im Karwendel, im Mieminger Gebirge, im Pitztal und Paznauntal. Auch im Gschnitztal sowie im nördlichen Osttirol sind Lawinen bis in Tallagen vorgedrungen. Einige davon richteten Schäden an Wäldern, Leitungen und Gebäuden an. Menschen kamen dabei nicht zu Schaden. Ein großes Thema während dieses sehr schneereichen Winters sind auch Gleitschneelawinen. Deren Abgangsbereitschaft wurden durch Regeneinfluss bis auf etwa 1500m begünstigt. Immer wieder wurden dadurch Straßenabschnitte verlegt, aber auch  Gebäude beschädigt.

Nur durch den ununterbrochenen Einsatz zahlloser Menschen im Dienste der Sicherheit konnte die außergewöhnliche Wetterlage sehr gut gemeistert werden.

Hohe Gleitschneeaktivität in weiten Teilen Tirols, hier am Beispiel der Wildschönau. (Foto: 14.01.2019)

Spontanes Abgleiten einer Gleitschneelawine in Navis. Gleitschneelawinen können nicht künstlich ausgelöst werden und stellen Sicherheitsverantwortliche deshalb häufig vor große Probleme. (Foto: 14.01.2019)

Eine Lawine in Aurach bei Kitzbühel hat einiges an Wald mitgerissen.  Auch hier handelte es sich um eine Gleitschneelawine. (Foto: 15.01.2019)

Gleitschneelawinen und Anriss einer Schneebrettlawine im Außerfern (Foto: 16.01.2019)

Bereits überschneite Gleitschneelawinen nahe Leermoos im Ammergebirge. (Foto: 15.01.2019)

Ablagerung einer großen Schneebrettlawine unterhalb des Großen Zunig an der Felbertauernstraße zwischen Huben und Matrei. (Foto: 16.01.2019)

Durch ein Schneebrett in Mitleidenschaft gezogene Almhütte im Nilltal bei Virgen in Osttirol. Im Hintergrund erkennt man auch die zerstörte Aufzugsstation der Bonn-Matreier-Hütte (Foto: 16.01.2019)

Große spontane Schneebrettlawine an der Bschlaber Kreuzspitze in den Lechtaler Alpen. (Foto: 15.01.2019)
Lawinenabgang bei Piösmes im Pitztal (Foto: 16.01.2019) 

Anrissgebiet einer gesprengten Schneebrettlawine oberhalb der Gletscherstraße zum Skigebiet Stubaier Gletscher (Foto: 2016.01.2019)

Anriss einer spontanen großen Schneebrettlawine am Hochwanner im Mieminger Gebirge. Viele Schneebrettlawinen sind kammnah, in sehr steilem Gelände angebrochen. (Foto: 16.01.2019)

Schneebrücken stützen die Schneemassen und verhindern Lawinenabrüche. Paznauntal (Foto: 16.01.2019)

Regen in tiefen Lagen hat die Schneeoberfläche gezeichnet. (Foto: 16.01.2019)

Ausblick

In der Nacht auf morgen Freitag, 18.01. erreicht uns eine Kaltfront aus Südwesten. Diese bringt unergiebige Schneefälle und eine starke Abkühlung. Am meisten Schnee fällt in den Hohen Tauern sowie den Zillertaler Alpen.

In der Nacht auf Freitag, 18.01. erwarten uns im ganzen Land unergiebige Schneefälle.

Das Wetter in den nächsten Tagen besteht aus einem Mix aus Sonne und Wolken, der Wind weht schwach bis mäßig. Die neuen Triebschneepakete, welche sich mit dem Wind bis morgen, 18.01. noch bilden, sind anfangs zum Teil noch sehr störanfällig (diesbezügliche Rückmeldungen u.a. aus den zentralen Stubaier Alpen).

Am meisten aufpassen heißt es derzeit in den Regionen mit einem ausgeprägten Altschneeproblem (Zentrales Osttirol, Lienzer Dolomiten, ebenso gebietsweise in den Zentralen Stubaier Alpen und der  Gurglergruppe): Wir empfehlen eine vorsichtige Routenwahl, Entlastungsabstände in Auf- und Abstieg sowie das Meiden großer Hänge und generell schneearmer Bereiche! Speziell in Osttirol besteht u.a. auch erhöhte Gefahr von Fernauslösungen!