Donnerstag, 14. Januar 2021

Extrem störanfällige Schneedecke - deshalb bitte um extreme Zurückhaltung im freien Skigelände während der kommenden Tage!!! Im Westen zunehmende Gefährdung exponierter Verkehrswege!

Alarmzeichen der Natur: Spontane Schneebrettlawinen, Setzungsgeräusche, Rissbildungen, Fernauslösungen!


Aus weiten Teilen Tirols gingen bei uns heute am 14.01.2021 sehr viele Meldungen über eine außergewöhnlich störanfällige Schneedecke ein. Im flachen und mäßig steilen Gelände war man auf Schritt und Tritt mit Setzungsgeräuschen, Rissbildungen und (Fern-)Auslösungen von Schneebrettlawinen konfrontiert. Ebenso konnten sehr gute Sprengerfolge mit großflächigen Anrissen erzielt werden. Peter Raich, einer unserer Ötztaler Beobachter, berichtete sogar darüber, dass am Gaislachkogel zwei großflächige Schneebrettlawinen nur durch die sehr geringe Belastung der Sprengladung auf die Schneedecke (also noch ohne Detonation) ausgelöst werden konnten.


Zahllose Gefahrenstellen

Die aktuelle Situation ist auch deshalb außergewöhnlich, weil die Verbreitung von Gefahrenstellen über das gesamte Land gesehen sehr groß ist. Deshalb sind bereits zahlreiche spontane (meist mittelgroße bis große) Lawinen abgegangen. Deshalb können aber auch Schneebrettlawinen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von Wintersportlern im Steilgelände ausgelöst werden. Zudem ist, wie schon erwähnt, an Fernauslösungen aus flachem Gelände zu denken.


Dazu eine Auswahl an aktuellen Bildern:

Spontanes Schneebrett in einer Waldlichtung am Geigenkamm im Ötztal (Foto: 14.01.2021)


Einer von zahllosen Böschungsrutschen. Kitzbüheler Alpen (Foto: 14.01.2021)


Typisch für eine sehr reaktive Schwachschicht: Lawinen lösen sich bei eher geringer Mächtigkeit. Die Stützwirkung von Verbauungen kommt dadurch nicht zum Tragen. Lärchfilzkogel (Foto: 14.01.2021)


Rissbildung. Außerfern (Foto: 13.01.2021)


Blick in die Schneedecke: Unten grobkörniger Altschnee, darüber das Neuschneepaket. Bichlbach (Foto: 13.01.2021)


Nein, kein Gleitschnee, sondern eine Schneebrettlawine am Dach aufgrund der vorhandenen Schwachschicht samt gebundenem Neuschneepaket. Gerlos (Foto: 14.01.2021)


Rissbildung aufgrund der Zusatzbelastung eines Skifahrers. Rosshütte (Foto: 14.01.2021)


Schneebrettlawine auf einer Böschung verschüttet Nebenstraße in Sölden. Die Lawine wurde von Skitourengehern ausgelöst. (Foto: 14.01.2021)

Weitere, ähnliche Lawinenabgänge auf Straßen gab es in Arzl im Pitztal, in Reith im Alpbachtal und zwischen Gries am Brenner und der Staatsgrenze.

Schneebrettlawine mit Staubanteil in der Venediger Gruppe (Foto: 13.01.2021)


Eine in den neuschneereichen Gebieten ebenso nicht zu unterschätzende Gefahr: Baumbruch. Außerfern (Foto: 14.01.2021)


Wetter der vergangenen Tage

Zwei Kaltfronten mit einer eingelagerten Warmfront seit 12.01. sind die Urheber der kürzlichen Neuschneefälle bzw. Niederschläge in Tirol. Diesmal war (endlich) mal der Norden des Landes begünstigt. Die Prognosen mussten aufgrund der eingelagerten Warmfront stetig nach oben revidiert werden, sodass schlussendlich gebietsweise über 100cm, lokal sogar nahe an die 200cm Schnee zusammenkamen. Auch ist aktuell (14.01.2021 22:50 Uhr) nicht absehbar, wie sich die Warmfront weiter auswirkt. Die Niederschläge könnten über Nacht wiederum deutlich ergiebiger ausfallen, als ursprünglich angenommen, was sich negativ auf die Größe spontaner Lawinen auswirken würde. Zunehmende Gefährdung exponierter Verkehrswege in den besonders neuschneereichen Regionen!) Prägend war und ist natürlich auch der starke bis stürmische Wind aus W über NW bis N, der zu umfangreichen Verfrachtungen führte.


48-h Schneedifferenz. Hotspots im Norden des Landes



Am meisten Niederschlag wurde bei der Alplhütte in der Mieminger Kette gemessen. 


Daten der Wetterstation Seegrube. Viel Neuschnee, stürmischer Wind. Interessant auch der Temperaturgang vom 13.01. auf den 14.01. Die nächtliche Erwärmung führte in tieferen Lagen teilweise zu Regen. Der Temperaturwechsel während des Schneefalls kann auch die Ausbildung einer Schwachschicht (ev. verzögert durch gm.4 - kalt auf warm) innerhalb des Neuschneepakets fördern.


Weiterhin spontane Lawinenabgänge möglich

Mit Abklingen der Niederschläge (spätestens ab morgen, 15.01. vormittags) wird die Anzahl an spontanen Schneebrettlawinen deutlich abnehmen. Spontane Schneebrettlawinen sind dann v.a. noch dort möglich, wo anhaltende Schneeverfrachtungen zu einer fortschreitenden Zusatzbelastung der Schneedecke führen. Ebenso könnte intensive Sonneneinstrahlung spontane Schneebrettlawinen initiieren. Erfahrungsgemäß sollten während der kommenden Tage auch Sprengerfolge sehr gut sein.


Äußerst unfallträchtige Tage stehen bevor - Macht mit, dass niemand zu Schaden kommt!

Das Wetter verspricht während der kommenden zwei Tage laut ZAMG-Wetterdienststelle schön zu werden. In der Vergangenheit sind bei ähnlichen Konstellationen (Schönwetter, extrem störanfällige Schneedecke, viel Neuschnee samt Wind) immer besonders viele Lawinenunfälle passiert!

Bisher sind sämtliche Lawinenabgänge noch gut ausgegangen. Wir hoffen sehr, dass es so bleibt und appellieren deshalb einmal mehr an die Vernunft der Wintersportler*innen, während der kommenden Tage. Bleibt bitte möglichst auf den gesicherten Pisten! Haltet euch im freien Gelände nur dann auf, wenn ihr über sehr gutes lawinenkundliches Wissen verfügt. Seid dort dann extrem defensiv unterwegs! Derzeit ist es im freien Gelände nämlich vielerorts so richtig gefährlich. Nicht umsonst haben wir die Lawinengefahr verbreitet als groß (Stufe 4) eingestuft. Schaut auch regelmäßig auf unseren Lawinenreport unter lawinen.report. Die Verhältnisse bedürfen mitunter einer morgendlichen Aktualisierung unserer auf Wetterprognosen gestützten Lawinenprognosen.