Samstag, 30. Januar 2021

Gebietsweise heikle Situation für den Wintersportler - Zwei tödliche Lawinenunfälle in den Stubaier Alpen

Zahlreiche spontane Lawinenabgänge


Wir haben gerade eine Phase mit zahlreichen spontanen Lawinenabgängen hinter uns. Einige davon waren auch sehr groß und haben u.a. exponierte Verkehrswege verschüttet. Dies war v.a. im neuschneereichen Westen des Landes der Fall. Durch die warmen Temperaturen und den Regeneinfluss hat ebenso die Aktivität von Gleitschneelawinen wieder zugenommen. Insbesondere aus dem schneereichen Osttirol sind uns diesbezüglich einige größere Abgänge bekannt. 

Die spontane Lawinenaktivität hat inzwischen deutlich abgenommen. Heute am 30.01. wurden uns noch einzelne im Westen des Landes gemeldet. Der Grund dafür dürfte v.a. in der verfrachtungsbedingten Zusatzbelastung zu suchen sein. Ab morgen Sonntag, 31.01. soll der Wind deutlich schwächer werden. Impulse für spontane Lawinen könnten dann v.a. noch durch (aktuell sehr schwer abschätzbaren) diffusen Strahlungseinfluss (im Bereich von Wolkenbänken) gegeben sein.


Die Situation für Wintersportler*innen bleibt gebietsweise heikel


Was bleibt ist eine für den Wintersportler gebietsweise heikle Lawinensituation. Dies trifft v.a. oberhalb der Waldgrenze zu. Darunter dürften durch den kürzlichen Regen- und Wärmeeinfluss bereits die allermeisten Schwachschichten innerhalb der Schneedecke entweder aktiviert oder zerstört worden sein. In tiefen und mittleren Lagen bleibt v.a. in den schneereicheren Regionen die Gefährdung durch Gleitschneelawinen oder aber - im extrem steilen, regenbeeinflussten Gelände - durch nasse Lockerschneelawinen.

Oberhalb der Waldgrenze haben sich hingegen durch Schneefall und Wind umfangreiche, flächige Triebschneepakete gebildet. Diese bilden ein "perfektes" Brett und können insbesondere an Übergängen von wenig zu viel Schnee unverändert recht leicht von Wintersportler*innen gestört werden. Vereinzelt wurde uns während der vergangenen Tage auch noch von Fernauslösungen berichtet - ein Charakteristikum für die großflächig, meist im Mittelteil der Schneedecke vorhandenen Schwachschichten. Da Lawinen in tiefere Schichten der Schneedecke durchreißen können, erreichen diese mitunter eine für Wintersportler gefährliche Größe.


Neuerlich einige Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung - zwei davon mit tödlichem Ausgang


Die seit bereits Mitte Jänner anhaltende Periode mit vermehrten Lawinenabgängen, bei denen Personen beteiligt waren, hält leider an. So wurden uns heute von der Leitstelle sieben solche Lawinenabgänge,  zusätzlich ein Wechtenbruch (Zwölferkogel) sowie eine Dachlawine (in Lienz) gemeldet. Die Lawinenabgänge waren in Osttirol bei der Hollbrucker Spitze am Karnischen Kamm sowie beim Figerhorn in der Glocknergruppe. Die restlichen Lawinenabgänge wurden uns alle von den Stubaier Alpen, vermehrt aus dem Sellraintal gemeldet: Schafzöllen, Vorderer Grieskogel, Neunerkogel, Widdersbergsattel sowie Zubußerkopf bei Trins).


Bisher bekannte Fakten zu den tödlichen Lawinenunfällen


Lawinenabgang Neunerkogel (Nördliche Stubaier Alpen)


Die Schneebrettlawine löste sich, als sich eine Person bei der Abfahrt in einem ca. 40° steilen Nordhang auf ca. 2150m befand. Die Lawine war ca. 150m lang und 80m breit. Die Person hatte kein LVS-Gerät dabei und wurde von einem Lawinenhund gefunden (Verschüttungstiefe ca. 50cm) . Vor Ort durchgeführte Reanimationsversuche blieben erfolglos.


Screenshot aus www.lawis.at: Man erkennt die Unfallstelle unterhalb des Finstertalspeichers im Kühtai. Im Nahbereich der Lawine hat Lukas Ruetz, einer unserer Beobachter, nach dem Unfall Schneeprofile aufgenommen. Rechts dargestellt ist eines dieser Profile: Die Lawine löste sich auf der aktuell bekannten und recht verbreiteten Schwachschicht im Mittelteil der Schneedecke.


Lawinenabgang Widdersbergersattel (Nördliche Stubaier Alpen)


Laut Auskunft des Einsatzleiters der Bergrettung Axams wurde ein Einzelgänger im Aufstieg Richtung Widdersberg (Ausgangspunkt Axamer Lizum) von einer Schneebrettlawine knapp 2m tief verschüttet. Die Lawine war ca. 100m breit und löste sich unmittelbar unterhalb des Widdersberger Sattels in einer Seehöhe von ca. 2260m. Der Hang ist Richtung OSO ausgerichtet. Zwei Personen bemerkten den Lawinenabgang sowie die Einfahrtsspur und konnten die verschüttete Person sofort orten. Nach ca. 40 Minuten war die Crew des C1 bereits bei den Reanimationsmaßnahmen, die erfolglos blieben. Wir gehen aufgrund der uns von diesem Gebiet bekannten Schneedeckenuntersuchungen von einem gleich gelagerten Problem wie beim Lawinenunfall Neunerkogel aus.


Eingezeichnet ist der ungefähre Ort des Lawinenabgangs unterhalb des Widdersbergersattels. (c) tiris
 

Zusätzliche Bemerkung (20 min nach Veröffentlichung):


Gerade hat uns eine Person, die bei der Suchaktion beim Lawinenabgang unterhalb des Vorderen Grieskogels (im Kühtai) beteiligt war, gebeten, Folgendes mitzuteilen: Der Lawinenkegel befand sich im unmittelbaren Nahbereich der Kaiserjochbahn. Personen, die sich in der Bahn befanden und ein LVS-Gerät eingeschaltet hatten, beeinflussten die Suchaktion am Lawinenkegel enorm. Eventuell kann dadurch die Lehre gezogen werden, dass bei ähnlichen Lawinenunfällen das Liftpersonal die Personen dazu auffordert, in der Gondel die LVS-Geräte auszuschalten.


Lawinenabgang Vorderer Grieskogel. Suchmannschaft und Kaiserjochbahn (Foto: (c) Gerold Santer vom 30.01.2021)