Sonntag, 7. Januar 2018

Rückblick auf ereignisreiche Tage – bei zwei Lawinenunglücken kamen drei Personen ums Leben

Wir haben eine sehr ereignis- und arbeitsreiche Zeit hinter uns, die es wert ist, etwas umfassender dokumentiert zu werden. Wesentliches wird dabei thematisch zusammengefasst.

Zahlreiche Lawinenabgänge am 04.01.2018

Am 05.01. verschafften wir uns mit Hubschrauberunterstützung der Flugeinsatzstelle Innsbruck des BMI einen Überblick aus der Luft. Sehr eindrucksvoll zeigte sich dabei die hohe Lawinenaktivität während des 04.01.2018! Unsere Lawinenszenarien, die wir vorher angestellt hatten, bestätigten sich in eindrucksvoller Weise. Viele Lawinen lösten sich primär in oberflächennahen Schichten. Dort, wo in der Altschneedecke Schwachschichten vorhanden waren, brach die Schneedecke in Folge auch in tieferen Schichten. Lawinen wurden in den schneereichen Regionen zum Teil groß und auch großflächig.


Außergewöhnliche Tage verlangen außergewöhnliche Transportmittel, um sich rasch einen guten Überblick über die Lawinensituation im Lande zu machen. Unterwegs mit der Alpinpolizei (Foto: 05.01.2018)

Der Neuschnee der Warmfront vom 04.01. brach auf dem lockeren Pulverschnee von der Kaltfront des 03.01. – Nördliche Ötztaler Alpen (Foto: 05.01.2018)

Der Neuschnee der Warmfront vom 04.01. brach auf dem lockeren Pulverschnee von der Kaltfront des 03.01. – Zentralosttirol (Foto: 06.01.2018)

Primär oberflächennaher Bruch, sekundär weiteres Durchbrechen in tiefere Schichten – Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 05.01.2018)

Großflächiger Anriss sonnseitig – Samnaun (Foto: 05.01.2018)

Großflächiger Anriss schattseitig – Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 06.01.2018)

Weite Auslauflänge – Untergurgl, Südliche Ötztaler Alpen (Foto: 05.01.2018)

Weite Auslauflänge – Ruderhofspitze, Südliche Ötztaler Alpen (Foto: 06.01.2018)

Teil des Anrissgebietes samt Sturzbahn jener Schneebrettlawine, welche am 04.01. die Sellraintal-Landesstraße erreichte (Foto: 05.01.2018)

Tödliches Lawinenunglück Velilltal – Region Silvretta-Samnaun am 04.01.2018

Am 04.01.2018 befand sich eine Gruppe aus Tschechien bei der Abfahrt im Velilltal in der Region Silvretta-Samnaun. Sie befuhren eine gesperrte Piste im Skigebiet der Silvretta-Skiarena. Kurz vor 14:00 Uhr wurde die Gruppe von einer spontanen Schneebrettlawine erfasst, welche sich zwischen der 2704m hohen Velill- und der 3089m hohen Vesulspitze löste. Das Anrissgebiet befindet sich auf etwa 2800m im extrem steilen SW-exponierten Gelände. Eine von drei verschütteten Personen konnte nur mehr tot aus einer Tiefe von ca. 1,5m geborgen werden. Im Nahbereich des Anrissgebietes wurde kein Schneeprofil aufgenommen. Aufgrund der Ausdehnung der Lawine kann jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Bruch der Schneedecke in einer kantigen Schicht angrenzend an eine Schmelzkruste ausgegangen werden.

Tödlicher Lawinenunfall Velilltal vom 04.01. Kreis zeigt die Verschüttungsstelle, Pfeil die Abfahrtsrichtung der Gruppe (Foto: 05.01.2018)

Anrissgebiet Unfralllawine Velilltal (Foto: 05.01.2018)

Tödliches Lawinenunglück Kals-Matreier Törl – Region Osttiroler Tauern am 05.01.2018

Am 05.01.2018 wurden zwei Personen aus Bayern bei der Abfahrt im Variantengebiet des Skigebietes Großglockner Resort Kals-Matrei von einer Schneebrettlawine erfasst und mitgerissen. Das Anrissgebiet befindet sich knapp über 2200m, der Auslaufbereich auf etwa 1750m, ist Richtung Westen ausgerichtet und sehr steil bis extrem steil. Die Lawine war etwa 150m breit und 600m lang, bei Anrissmächtigkeiten zwischen 50cm und 2m. Sie teilte sich im oberen Bereich in zwei Arme. Eine der Personen wurde am 05.01. im orographisch linken Arm der Lawine, die andere Person am 06.01. im orographisch rechten Arm der Lawine tot aufgefunden.

Am 06.01. führten die Alpinpolizei gemeinsam mit unserem Beobachter Peter Fuetsch Schneedeckenuntersuchungen im Anrissgebiet durch. Die Lawine löste sich auf einer kantigen Schicht innerhalb der Altschneedecke. Stabilitätstests zeigten eine durchwegs hohe Störanfälligkeit. Ebenso wurden im Nahbereich Setzungsgeräusche beobachtet, die auf einen Bruch dieser Schwachschicht hindeuten.

Innerhalb der Ellipse befindet sich der Anrissbereich der Unfalllawine Kals-Matreier Törl © tiris

Die Sturzbahn der Unfalllawine Kals-Matreier Törl (Foto: 05.01.2018)

Lawinenabgang auf Skipiste unterhalb des Vorderen Grieskogels – Region Nördliche Stubaier Alpen am 05.01.2018

Im Skigebiet Kühtai verschüttete eine Schneebrettlawine eine Skipiste. Zwei Personen wurden teilweise verschüttet. Da nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden konnte, ob nicht weitere Personen verschüttet waren, wurden eine groß angelegte Suchaktion gestartet, die mit Einbruch der Dunkelheit ohne Hinweis auf Verschüttete beendet werden konnte. Die Schneebrettlawine löste sich in einer Seehöhe von etwa 2275m in einem sehr steilen bis extrem steilen SO-exponierten Hang.

Schneebrettlawine Vorderer Grieskogel. Auf dem Lawinenkegel erkennt man Sondierketten. (Foto: 05.01.2018)

Schneebrettlawine Vorderer Grieskogel. Anhand des Lawinenhundeführers lässt sich die Anrisshöhe abschätzen. Im Bereich der Felsen und rechts darüber befindet sich der wahrscheinlichste Auslösebereich.  (Foto: 05.01.2018)

Unsere Schneedeckenuntersuchungen zeigten folgendes Bild: Auffallend war ein extrem großer Schneehöhenunterschied auf kleinem Raum im orographisch linken Teil des Anrissgebietes. Der Triebschnee war noch frisch und bildete offensichtlich ein ideales Brett. Vieles deutet darauf hin, dass das Schneebrett am Übergangsbereich von wenig zu viel Schnee ausgelöst wurde. Man sah dort auch einige Spuren.

Schneeprofil Vorderer Grieskogel, welches unterhalb (und leicht versetzt) der am oberen Foto dargestellten Felsen aufgenommen wurde. Die Lawine löste sich bei der kantigen Schwachschicht in Bodennähe, die ca. 10 Höhenmeter oberhalb des Profilstandortes an einer schneeärmeren Stelle ausgeprägter war. Das vollständige Profil findet man hier:

Erhöhte Aktivität von Gleitschneelawinen

Rückmeldungen von unseren Beobachtern sowie von engagierten Wintersportlern bestätigen eine gerade wieder erhöhte Aktivität von Gleitschneelawinen. Gleitschneelawinen können gefährlich groß werden und sind praktisch nicht vorhersehbar. Wir raten deshalb. Bereiche unterhalb von Gleitschneerissen möglichst zu meiden.

Hohes Gefährdungspotential durch Gleitschneelawinen auf steilen Wiesenhängen – Samnaungruppe (Foto: 05.01.2018)

Frische Gleitschneelawine unterhalb des Galzig im Arlberggebiet. Anrissmächtigkeit 2-3m. (Foto: 06.01.2018)

Gleitschneelawine am Weg zum Gaishörndl im Villgratental, Zentralosttirol (Foto: 06.01.2018)

Ebenso erhöhte Gleitschneelawinenaktivität in den Kitzbüheler Alpen (Foto: 05.01.2018)

Auch auf Dächern kann Schnee abgleiten… (Foto: 06.01.2018)

…kurz darauf… (Foto: 06.01.2018)

Zum Teil sehr gute Sprengerfolge

Am 05.01. wurden in Tirol zahlreiche Lawinensprengungen durchgeführt. Die Erfolge variierten von ausgezeichnet bis mäßig. Hier ein paar Impressionen.

Ausgezeichnete Sprengerfolge mit großen Lawinenabgängen im Skigebiet Fiss-Ladis-Serfaus (Foto: 05.01.2018)

Sehr gute Sprengerfolge am 05.01. im Skigebiet Kappl (Foto: 06.01.2018)

Sprengmast samt Lawinenauslösung in der Samnaungruppe (Foto: 05.01.2018)

Es gab immer wieder auch Nieten. Man erkennt mehrere Sprengkrater, Silvretta-Skiarena (Foto: 05.01.2018)

Lawinenabgänge auch innerhalb von Lawinenverbauungen

Immer dann, wenn die Schneedecke besonders störanfällig ist (was beim Durchgang der Warmfront am 04.01. kurzfristig der Fall war), beobachtet man vermehrt Lawinenabgänge innerhalb von Lawinenverbauungen.

Schneebrettlawine innerhalb Verbauung, Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 05.01.2018)

Schneebrettlawine innerhalb Verbauung, Hohe Munde, Westliche Nordalpen (Foto: 06.01.2018)

Regeneinfluss

Der intensive Regen hat bis etwa 2300m hinauf seine Spuren hinterlassen.

Beeindruckende Schneestruktur durch Regen im Arlberggebiet. Am Foto erkennt man zudem spontane Lawinen. (Foto: 05.01.2018)

Nach dem Regen findet man häufig Bruchharsch. Mancherorts, inzwischen begünstigt durch warme Temperaturen und Sonneneinstrahlung, ist die Schneeoberfläche am Morgen tragfähig. Es wurde auch schon von Firnverhältnissen berichtet. (Foto:; 08.01.2018)

Ein Bild von der Regenkruste, auf der sich durch Nebeleinfluss Oberflächenreif gebildet hat. Interessant erscheint auch die bereits beginnende aufbauende Umwandlung unterhalb der Kruste (Kristalle auf dem Handschuh). Diese Entwicklung muss sorgfältig weiter beobachtet werden. Wir sind für entsprechende Rückmeldungen samt Ortsangabe sehr dankbar! (Foto: 06.01.2018)

Aktuell…

…weht in der Höhe mancherorts kräftiger Wind, der neuen Triebschnee bildet.

Schneeverfrachtungen in den föhnbeeinflussten Gebieten (Foto: 05.01.2018)